Verbraucherschutz in der Corona-Krise

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Verbraucherschutz in der Corona-Krise

Der wesentliche aktuelle Schutzmechanismus für Verbraucher  (teilweise auch Unternehmen) betrifft die Dauerschuldverhältnisse. In Art. 240 EGBGB wurden vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der Covid 19 Pandemie beschlossen und sind jetzt Gesetz.

Dauerschuldverhältnisse bestimmen unseren Alltag. Ganz gleich, ob Sie telefonieren, im Internet surfen oder ein Fahrzeug geleast haben. Diesen Nutzungen liegen Dauerschuldverhältnisse zugrunde. Dies gilt natürlich auch für Kredite, Mietverhältnisse und Stromlieferungen. Alle Verträge, die längere Laufzeiten aufweisen und wiederkehrende Verpflichtungen auf beiden Seiten begründen, bezeichnet man als Dauerschuldverhältnisse. Art. 240 regelt nun die Rechtsfolge von Zahlungsschwierigkeiten wegen der Corona-Krise bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen.

 

Art. 240 EGBGB

Einleitung

Der Bund hat, diese Gefahr erkennend, in § 240 EGBGB den Umgang und die Rechtsfolgen für solche Fälle geregelt. Es ist klar, dass in den kommenden Monaten in Einzelfällen, Menschen oder Unternehmen wegen der Pandemie in Zahlungsschwierigkeiten kommen werden. Damit dies nicht zu weiteren existentiellen Problemen führt, gibt es für wesentliche Dauerschuldverhältnisse begrenzte Anpassungsregelungen. Unter wesentlich sind alle die Verträge zu verstehen, die der Mensch für seine Daseinsvorsorge benötigt. Dies sind u.a. Miet-, Leasing-, Versorgungs- und Darlehensverträge.

Der Artikel enthält 4 Paragraphen, wobei der erste ein Zahlungsverweigerungsrecht begründet, der zweite sich mit Kündigungen wegen Zahlungsrückständen beschäftigt, der dritte speziell Bezug nimmt auf Darlehensverträge (Kredite) und der Vierte sich mit formalen Fragen beschäftigt.

 

$ 1 Zahlungsaufschub

§ 1 des Art. 240 EGBGB normiert ein Zahlungsmoratorium. Dementsprechend regelt die Vorschrift, dass Verbraucher Forderungen aus Verträgen, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern kann. Voraussetzung ist, dass die Erfüllung der Leistung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Abs. 2 verlängert diesen Anspruch auf Kleine und mittlere Unternehmen.

Allerdings sieht auch diese Vorschrift eine Abwägung zwischen den Interessen der Vertragsparteien für den Fall vor, dass die Zahlungseinstellung eine wirtschaftliche Not beim Gläubiger auslöst.

Für Miet- und Pachtverträge über Immobilien (also Räume und Grundstücke) gilt ausschließlich § 2, der ein Kündigungsverbot begründet.

 

§ 2 Kündigungsverbot

Kommt ein Schuldner, also der Mieter oder Pächter mit seiner Zahlungsverpflichtung über mehr als zwei Monate in Verzug, so begründet dies für den Vermieter im Normalfall das Recht, den Vertrag außerordentlich zu kündigen. Da aus den bereits genannten Gründen der Gesetzgeber den Mieter oder Pächter vor dem Verlust seiner Räumlichkeiten schützen wollte, wird ein solches Kündigungsrecht, das mit rückständigen Miet-/Pachtzinsen für Mietverbindlichkeiten aus dem Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2020 begründet wird, ausgeschlossen. Von dieser Vorschrift darf auch nicht zu Lasten des Mieters abgewichen werden.

Die Mietforderung als solche bleibt also bestehen, wegen ihr kann aber frühestens nach dem 30. Juni 2022 anzuwenden. Dies bedeutet nichts weiter, als dass die Mietzinsen bis dahin gestundet werden. Da diese Vorschrift den § 1 bei Miet- und Pachtverträgen über Immobilien ersetzt, bedeutet das faktisch einen Zahlungsaufschub für 3 Monatsmieten um 2 Jahre. Auf diese Vorschrift berufen sich zur Zeit auch einige große Unternehmen wie Adidas oder Deichmann, was zu dem uns alle bekannten Sturm der Entrüstung führte. Für solche Unternehmen war die Vorschrift eigentlich nicht gedacht.

Ob der Gläubiger hiergegen § 1 Abs. 3 einwenden kann, ist zweifelhaft. Danach darf der Zahlungsverlust nicht für ihn zu einer existentiellen Schwierigkeit führen. Allerdings nimmt § 1  Abs. 3 ausdrücklich Bezug auf das Zahlungsmoratorium der Abs. 1 und 2, hinzu spricht er nur von einem Leistungsverweigerungsrecht. Im Fall des § 2 wird aber nicht die Leistung an sich verweigert, vielmehr tritt wegen der Corona-Krise ein Zahlungsrückstand auf. Die dadurch normalerweise mögliche Rechtsfolge  einer  außerordentlichen Kündigung wird ausgeschlossen. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass die Interessensabwägung vorliegend nicht greift und der Vermieter kein außerordentliches Kündigungsrecht hat.

 

§ 3 Darlehensverträge

Im § 3 werden die Besonderheiten zu Darlehensverträgen geregelt. Auch hier ist es in der systematischen Konsequenz so, dass diese wegen Rückständen aus der Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 nicht gekündigt werden können. Vielmehr hat der Verbraucher einen Anspruch auf Stundung der Zinsen nebst Tilgung oder Rückzahlung. Diesbezüglich sollen die Vertragsparteien eine besondere Regelung treffen. Kommt diese nicht zustande, so ist davon auszugehen, dass sich das Vertragsverhältnis zu den gleichen Konditionen um drei Monate verlängert. Der Darlehensnehmer hat dann einen Anspruch auf eine neue Vertragsurkunde.

Auch in § 3 hat der Darlehensgeber die Möglichkeit einzuwenden, dass ihm eine Stundung wegen besonderer wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht zuzumuten sei. Da Verbraucherkreditverträge in der Regel mit Banken abgeschlossen werden, sollte dieser Bestimmung aber keine große praktisch Bedeutung zu kommen.

 

§ 4 Rechtsverordnungen

Dieser Paragraf beinhaltet im Wesentlichen Formvorschriften, die hier in unserem Zusammenhang nicht näher interessieren.

 

Gemeinsame Regelungen

Allen  Vorschriften ist gemeinsam, dass die Zahlungserleichterungen nur dann in Betracht kommen, wenn sie durch die Pandemie verursacht wurden. Den Nachweis muss im Zweifel derjenige führen, der sich darauf beruft. Im Wesentlichen wird dies der Schuldner sein. Bei den § 1 Abs. 1 und 3 kommt es darüber hinaus darauf an, dass der Schuldner Verbraucher ist. Die Legaldefinition des Begriffes findet sich in § 13 BGB:

Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegen weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

Für das Kündigungsverbot gilt dies nicht, dieses sieht keine Einschränkung auf Verbraucherverträge vor.

 

Tipp

Wer  von diesen Zahlungserleichterungen Gebrauch machen will, sollte dringend zuvor mit seinem Gläubiger sprechen. Man sollte nicht vergessen, dass dieser vielleicht langfristig mein Vertragspartner ist und ein gedeihliches Zusammenwirken auch in Zukunft dem Schuldner nutzen kann. Dies gilt auch für die Fälle des Kündigungsverbots nach § 2. Im Übrigen sollte man auch im Auge halten, dass die Forderung bestehen bleibt und zu einem späteren Zeitpunkt (spätestens am 1. Juli 2022) erbracht werden muss, was dann zu erheblichen Liquiditätseinbußen führen und damit Schwierigkeiten auslösen könnte. Insoweit sollte man vielleicht als Betroffener darüber nachdenken, mit dem Gläubiger eine Vereinbarung herbeizuführen, die zum einen die jetzige Zahllast senkt aber zum anderen zu einem späteren Zeitpunkt nicht neue Schwierigkeiten auslöst.

Bei Kreditverträgen mit Banken sollte man zudem bedenken, dass die Bonität auch in dem eigenen Verhalten begründet wird. Deshalb sprechen Sie frühzeitig mit Ihrer Bank.