Kurzarbeit – Teil 1: Sozialrechtliche Situation
Ein krisenerprobtes Instrument der Arbeitsmarktpolitik ist die Kurzarbeit. Diese sicherte bereits in der großen Finanzkrise eine Unzahl von Arbeitsplätzen. Daher wird sie auch in der jetzigen viralen Krise eine wesentliche Rolle spielen. Grund genug auch dieses Instrument und seine Mechanismen zu erörtern.
Die Kurzarbeit ist arbeits- und sozialversicherungsrechtlich relevant. Die Rechtsgrundlagen basieren auf dem Sozialrecht und sind insbesondere im Sozialgesetzbuch III zu finden, ist es doch der Staat, der durch die Bundesagentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld bewilligt und gewährt. Die hierzu gehörenden Normen finden sich in §§ 99 ff SGB III. Auswirkungen hat die Kurzarbeit aber auch arbeitsrechtlich, ändern sich durch deren Umsetzung in den Betrieben auch andere rechtliche Parameter, wie z.B. der der Leistungsverpflichtung. Wir werden daher in zwei Teilen die Kurzarbeit erörtern, wobei nachfolgend mein studentischer Mitarbeiter Franz Janssen, die sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen erläutert. Am Ende finden sich dann die durch die derzeitige Krise bedingten Änderungen.
Um bei vorübergehenden wirtschaftlichen Engpässen Arbeitsplätze erhalten zu können, Arbeitnehmer nicht entlassen zu müssen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Kurzarbeit vereinbaren. Nach der Definition des BSG meint dies „die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen regelmäßigen Arbeitszeit mit entsprechender Verminderung des Entgeltanspruchs des Arbeitnehmers.“
Der dadurch entstehende Entgeltausfall kann durch Kurzarbeitergeld (Kug) kompensiert werden. Im Unterschied zum Arbeitslosengeld knüpft Kug an das bestehende Arbeitsverhältnis an und betrifft so-mit den gesamten betrieblich-organisatorischen Verbund. Es trägt also weniger individuelle Züge und wird deshalb auch nicht vom AN, sondern kollektiv vom AG oder Betriebsrat beantragt.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Kug wurden zur Kompensation des durch die SARS-CoV-2-Pandemie entstandenen volkswirtschaftlichen Schadens erleichtert: Rückwirkend zum 1. März 2020 wurden das Gesetz zur Erleichterung der Kurzarbeit vom 13. März 2020 und die auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnung des BMAS über Erleichterung der Kurzarbeit vom 23. März 2020 erlassen.
Gliederung
Teil 1: Voraussetzungen der Bewilligung von Kurzarbeitergeld 1. Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall a. Erste Variante: Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen b. Zweite Variante: Arbeitsausfall wegen eines unabwendbaren Ereignisses c. Vorübergehender Arbeitsausfall d. Unvermeidbarkeit e. Relevanzschwelle f. Zusammenfassung 2. Betriebliche Voraussetzungen 3. Persönliche Voraussetzungen 4. Die Anzeige (materiell-rechtliche Aspekte) Teil 2: Das Verfahren zur Bewilligung von Kurzarbeitergeld 1. Die Anzeige (formelle Aspekte) 2. Der Anerkennungsbescheid 3. Antrag 4. Streit über die Gewährung von Kurzarbeitergeld Teil 3: Aktuelle Änderungen
|
TEIL 1 – VORAUSSETZUNGEN DER BEWILLIGUNG VON KURZARBEITERGELD
Kurzarbeitergeld ist an die in § 95 S. 1 SGB III normierten Anspruchsvoraussetzungen geknüpft:
- Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
- betriebliche Voraussetzungen
- persönliche Voraussetzungen
- Anzeige gegenüber der BA
Vorab: Alle Voraussetzungen knüpfen am Betrieb an, nicht am Unternehmen, vgl. (Teil 1, 2.).
- Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
Das vom Kurzarbeitergeld gesicherte Risiko ist der Arbeitsausfall iSv § 95 S. 1 Nr. 1 SGB III, normiert in § 96. Das Gesetz nennt hier zwei Unterfälle: den Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen, § 96 I 1 Nr. 1 Var. 1, und den auf Grund eines unabwendbaren Ereignisses, Var. 2. Behördliche Maßnah-men wegen des Corona-Virus‘ zählen zur zweiten Variante, die erstere umfasst beispielsweise Auf-tragsmangel, Stornierungen und Lieferengpässe. Weiterhin verlangt § 96 I 1 SGB III, dass der Arbeits-ausfall unvermeidbar war, von nur vorübergehender Natur ist und die Relevanzschwelle von 10 % des monatlichen Bruttolohns von mindestens 10 % der Beschäftigten übersteigt.
- Erste Variante: Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen, samt Kausalitätserfordernis
Die beiden Unterfälle des Arbeitsausfalls umfassen nach Auffassung des BSG allein äußere Einwirkun-gen. Relevant ist dies v. a. für die wirtschaftlichen Gründe: Durch rein betriebsinterne, nicht konjunk-turbedingte Umstrukturierungsmaßnahmen verursachte Arbeitsausfülle begründen keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Vielmehr muss die Gesamtheit der externen Wirtschaftsprozesse samt ihren ökonomischen und außerökonomischen Rahmenbedingungen ursächlich sein; dazu zählen auch wirt-schaftliche Auswirkungen politischer Entscheidungen.
Durch den Pandemie-bedingten wirtschaftlichen Einbruch entstandene Arbeitsausfälle sind hierunter ebenso unproblematisch zu fassen, wie solche, die auf wirtschaftliche Folgen staatlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zurückgehen (nicht auf die Maßnahmen selbst; ® Var. 2). Problematisch hingegen könnten m. E. Arbeitsausfälle sein, die durch die Pandemie nur begünstigt worden sind, deren Ursache aber vorher bereits durch betriebsinterne Umstrukturierungen gesetzt wurde. Dieses Problem der sog. Ursachenkonkurrenz ist eine Frage der Kausalität. Anwendung findet hier die sozialrechtliche Formel der wesentlichen Bedingung: Treffen versicherte und nicht versicherte Risiken aufeinander, schließen letztere den Anspruch auf eine Leistung nur dann aus, wenn sie gegenüber ersteren überwiegen (zum Vergleich: hieran angelehnt ist auch der Wortlaut des § 96 IV 2 Nr. 1). Ein solches Überwiegen betriebsinterner Ursachen ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der tatsäch-liche Arbeitsausfall erst im Zuge der Pandemie entstanden ist.
- Zweite Variante: Arbeitsausfall wegen eines unabwendbaren Ereignisses, samt Kausalität
Die zweite Variante ist schlichter: Rspr und Literatur haben sich beinah einhellig der Definition aus dem Regierungsentwurf zum alten § 59 I Nr. 1 AFG angeschlossen, die unter einem unabwendbaren Ereignis das Folgende versteht: „Jedes objektiv feststellbare Ereignis, das auch durch äußerste, nach den Um-ständen des Falles gebotene Sorgfalt [des AG oder seiner Mitarbeiter] nicht abzuwenden war.“ Die fehlende Trennschärfe dieser Zirkeldefinition ist kein Versehen, sie verlagert vielmehr den Schwer-punkt der Prüfung auf die in Nr. 3 als eigenes Kriterium normierte Vermeidbarkeit, die als weitestgehend identisch mit Unabwendbarkeit zu betrachten ist.
Darüber hinaus schließt der Begriff „Ereignis“ langsam wirkende, allgemeine Veränderungen aus, beschränkt den Anwendungsbereich also auf plötzliche, kurzfristige Vorgänge. Die Pandemie selbst kann wohl als ein solches unabwendbares Ereignis verstanden werden, v. a. umfasst der Begriff aber die behördlichen Maßnahmen zu deren Bekämpfung (darauf weist die BA ausdrücklich hin). Von der bereits angesprochenen Ursachenkonkurrenz abgesehen, ergeben sich hier keine weiteren Probleme.
Anmerkung: Auch die zweite Variante erfasst nur externe Vorgänge und deshalb nicht etwa (ja, das Urteil gibt es wirklich) eine Schwangerschaft 🙂
- Vorübergehender Arbeitsausfall
Das Kriterium des vorübergehenden Arbeitsausfalls ist Ausdruck der Zielsetzung, durch Zahlung des Kug den Arbeitnehmern die Arbeitsplätze und dem Betrieb die eingearbeiteten Arbeitnehmer zu er-halten, bis der Arbeitsausfall beseitigt und eine Rückkehr zur Vollarbeit möglich ist. Schon seines Zwecks wegen kann Kug deshalb nicht bei dauerhaften oder gar endgültigen Arbeitsausfällen gewährt werden, hier kommt u. U. Transferkurzarbeitergeld nach § 111 SGB III in Betracht. Ansprüche von Mitarbeitern eines Betriebes, der stillgelegt werden soll, sind deshalb in jedem Falle ausgeschlossen; das gilt nach Auffassung des BSG auch, wenn ein Erhalt der Arbeitsplätze in einem anderen Betrieb des selben Unternehmens beabsichtigt ist (zur Anknüpfung des Kug an den Betriebsbegriff siehe (2.), betriebliche Voraussetzungen).
Aus dem Ziel der Arbeitsplatzerhaltung ergibt sich weiter, dass die Dauer des Arbeitsausfalls mit der möglichen Bezugsdauer des Kug korrelieren muss, da die Leistung sonst ihren Zweck verfehlen würde. Da die Dauer des Arbeitsausfalls in der Regel schwer absehbar ist, obliegt der BA eine entsprechende Prognose: Sie wird ihn der Definition des BSG folgend dann als nur vorübergehend erachten, „wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, dass in absehbarer Zeit, die die Bezugsfristen jedenfalls nicht deutlich überschreiten darf, mit dem Übergang zur Vollarbeit zu rechnen ist.“
Das BSG hat hierbei offengelassen, ob es sich dabei auf die Regelzeit des § 104 I SGB III von 12 Monaten bezieht, oder auf die verlängerte Bezugsfrist iSv § 109 I Nr. 2 SGB III von bis zu 24 Monaten. Letzteres kommt freilich nur im Falle einer entsprechenden Rechtsverordnung durch den Bundesminister für Ar-beit und Soziales in Betracht. Mit einer solchen ist bei Fortdauern der durch Covid-19 entstandenen prekären volkswirtschaftlichen Situation zu rechnen, bis dahin jedoch ist davon auszugehen, dass der Betrieb innerhalb der nächsten 12 Monate wieder zur Vollarbeit zurückkehren muss. In der Literatur wird ein voraussichtliches Überschreiten von einem Monat bis hin zu einem Drittel der Bezugszeit als unschädlich angesehen, jedoch ist auch diese Einschätzung bei der Prüfung mit Vorsicht zu genießen.
Hinweis: Eine geplante Wiederaufnahme hält das BSG für zweifelhaft, wenn zeitgleich mit der Kurzarbeit ein Personalabbau angestrebt wird. Auch eine drohende Insolvenz schadet dem Antrag.
- Unvermeidbarkeit
Das Kriterium der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls ist grds sehr relevant: Es bewahrt den Schutz-zweck der Kug vor instrumentalisierender und wettbewerbsverzerrender Inanspruchnahme, letztlich vor einer Verlagerung unternehmerischer Risiken auf den Staat. Es besagt, dass alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden sein müssen, die einen Arbeitsausfall hätten verhindern können. Ausführlich normiert ist die Vermeidbarkeit in § 96 IV SGB III.
Im Rahmen Pandemie-bedingter Arbeitsausfälle wird das Unvermeidbarkeitserfordernis keine Rolle spielen, da diese den Einflussbereich von Arbeitnehmer und Arbeitgeber schlichtweg nicht tangieren. Die einzig denkbare Konstellation sind Managementfehler, die den Betrieb in eine für besonders anfällige Lage gebracht und damit die Grundlage für Arbeitsausfälle gelegt haben. Diese Fälle dürften jedoch schon in der Kausalität scheitern, vgl. (a.) und (b.).
- Relevanzschwelle
- 96 I 1 Nr. 4 führt zuletzt noch eine Bagatellgrenze für ein, die durch das Gesetz zur Erleichterung der Kurzarbeit vom 13. März 2020 und die darauf basierende Verordnung über Erleichterung der Kurzarbeit des BMAS vom 23. März 2020 deutlich gesenkt wurde (beide rückwirkend zum 1. März d. J. in Kraft getreten). Unterhalb dieser Bagatellgrenze ist es nach dem Willen des Gesetzgebers Aufgabe des Arbeitgebers, schwankende Arbeitsausfälle durch innerbetriebliche Maßnahmen auszugleichen.
Der Arbeitsausfall muss demnach zwei Mindesterfordernisse erfüllen: Es müssen mindestens 10 % (bis 1. März 2020 und ab 1. Januar 2022: ein Drittel) der tatsächlich Beschäftigten von dem Ausfall betroffen sein, dieser muss jeweils mehr als 10 % des individuellen Bruttoentgeltvolumens betragen. Beide Teilquoten sind auf den gesamten Bezugsmonat zu errechnen.
Die Beschäftigtenquote bestimmt sich nach der Gesamtzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, unabhängig von der Beitragspflicht und unabhängig davon, ob ihnen ein Anspruch auf Kug zustünde – ausgeschlossen hiervon sind lediglich Auszubildende. Gekündigte oder freigestellte Mitarbeiter sind mitzuzählen, solange sie noch kein anderes Arbeitsverhältnis haben oder die Kündi-gung noch anfechtbar ist. Beurlaubte oder krankgeschriebene AN sind ebenfalls mitzuzählen, eine Ausnahme bildet langfristige (> 6 Monate) Krankheit. Die Literatur nimmt eine weitere Ausnahme für langfristigen Urlaub an – das BSG scheint dem jedoch nicht zu folgen, da sonst das Erreichen der Be-schäftigtenquote durch die Beurlaubung möglichst vieler Mitarbeiter künstlich herbeigeführt werden könnte (das Urteil ist jedoch sehr allgemein gehalten). Wichtig: Die 10 % müssen voll erreicht werden, eine Abrundung ist nicht zulässig.
Der Entgeltausfall von 10 % bestimmt sich nach dem jeweiligen Bruttoentgelt des einzelnen Arbeitnehmers im Bezugsmonat. Diese Quote erfüllt seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt 2012 auch die Kurzarbeit Null, also ein vollständiger Entgeltausfall.
Die Relevanzschwelle stellt noch einmal klar, was sich bereits aus dem Arbeitsausfallerfordernis ergibt: Ein rein finanzieller Schaden des Unternehmens begründet noch keinen Anspruch auf Kug, es braucht einen tatsächlichen Arbeits- und darauf beruhenden Entgeltausfall.
- Zusammenfassung
Das erste Kriterium eines Anspruchs auf Kug ist gem. § 95 S. 1 Nr. 1 ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, normiert in § 96 SGB III. Ein Arbeitsausfall auf Grund des durch die Covid-19-Pandemie bedingten volkswirtschaftlichen Schadens oder auf Grund behördlicher Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Pandemie erfüllt das Kriterium, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten einen Entgeltausfall von mindestens 10 % davontragen, eine Rückkehr zur Vollarbeit innerhalb von 12 Monaten absehbar ist und kein überwiegendes Verschulden des Managements angenommen werden muss.
- Betriebliche Voraussetzungen
Kug wird gem. § 97 S. 1 SGB III in Betrieben und jeder Größe, Rechtsform und Ausrichtung gewährt, wenn zumindest ein AN angestellt ist – gem. S. 2 auch in einzelnen Betriebsabteilung, die dem Betrieb gleichgestellt sind. Diese Fiktion betrifft alle Voraussetzungen des Kug, also z. B. auch die Beschäftigtenquote der Relevanzschwelle. Der Begriff des Betriebs ist ein organisatorischer Begriff, kein gesellschaftsrechtlicher – ein Unternehmen kann daher aus verschiedenen Betrieben bestehen, u. U. kann sogar ein Betrieb zu verschiedenen Unternehmen gehören.
Das BSG folgt diesem arbeitsrechtlichen Begriffsverständnis und definiert den Betrieb als organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sachlicher und sonstiger Mittel einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt. Ein Betrieb ist aber nicht nur eine organisatorische Einheit, zwecks Abgrenzung kann er auch als einheitlicher Risikobereich betrachtet werden, den wirtschaftliche Schäden im Verhältnis zu anderen Einheiten einheitlich treffen (v. a. auf dieses Verständnis geht die Fiktion in S. 2 zurück). Zudem haben Betriebe idR eine einheitliche personalpolitische Organisation und Interessenvertretung, sodass einheitliche Maßnahmen iSd Vermeidbarkeit (d.) überhaupt möglich gewesen wären. Angesichts der Gleichstellung einer Betriebsabteilung mit Betrieben als Ganzem in § 97 S. 2 SGB III besteht die Tendenz, auf möglichst kleine Einheiten abzustellen.
In diesem Betrieb wiederum muss zumindest ein sozialversicherungspflichtiger (!) Arbeitnehmer angestellt sein, das kann auch ein Auszubildender sein.
- Persönliche Voraussetzungen
Sofern der Betrieb seine Voraussetzungen erfüllt, hängt der Kug-Anspruch des individuellen Arbeitnehmers von den in § 98 SGB III normierten persönlichen Voraussetzungen ab: Er muss das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis, dass bereits vor Antrag bestand, im Bezugszeitraum fortsetzen, oder ein solches aus zwingenden Gründen oder im Anschluss an eine Ausbildung aufnehmen. Das entspricht der Einordnung des Kug als Versicherungsleistung, die eine Mitgliedschaft zur Versichertengemeinschaft in Form versicherungspflichtiger Beschäftigung voraussetzt. Eine Kündigung oder vertragliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses steht dem Kug folglich entgegen, Abs. 1 Nr. 2, nicht jedoch Krankheit während der Kurzarbeit: In diesem Fall wird der Entgeltfortzah-lungsanspruch schlicht durch das Kug ersetzt, § 98 II.
Systematisch misslungen legt § 98 IV legt zudem Verhaltensvorschriften der BA (S. 2) und des AN (S. 3) fest, das sind jedoch keine persönlichen Voraussetzungen.
- Die Anzeige (materiell-rechtliche Aspekte)
Damit der Antrag auf Zahlung des Kug an einen individuellen AN erfolgreich sein kann, muss der BA bereits der Arbeitsausfall angezeigt worden sein, das ist gem. § 95 S. 1 Nr. 4 eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Das BSG misst der Anzeige verschiedene Funktionen zu: Zum einen legt sie den Fristenlauf fest und stellt sie den Anspruchsbeginn dar, ab dem rückwirkend Kug gezahlt wird (wes-halb die Anzeige möglichst früh erfolgen sollte). Zweitens löst sie die Kontroll- und Prüfungstätigkeit der BA gem. § 320 SGB III und §§ 20ff. SGB X aus, drittens veranlasst sie die präventive Tätigkeit der BA-Abteilung Arbeitsvermittlung.
TEIL 2 – DAS VERFAHREN ZUR BEWILLIGUNG VON KURZARBEITERGELD
Das Verfahren zur Bewilligung des Kug ist traditionell zweistufig. Im ersten Schritt stellen der AG oder die Betriebsvertretung besagte Anzeige bei der Arbeitsagentur. Sobald diese Anzeige erfolgreich war, stellt die BA einen Anerkennungsbescheid – daraufhin können AG oder AN-Vertretung den Antrag auf die konkrete Gewährung des Kug für die einzelnen Arbeitnehmer stellen.
- Die Anzeige (formelle Aspekte)
Die Anzeige ist eine empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Die Anzeige hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen und eigenhändig unterschrieben zu sein, darüber hinaus ist sie formlos.
Mit der Anzeige werden der BA der Arbeitsausfall und die weiteren betriebsbezogenen Anspruchsvoraussetzungen mitgeteilt. Daraus ergeben sich folgender Mindestinhalt:
- Absender und Adressat
- Umfang des Arbeitsausfalls
- Betroffene/r Betrieb oder Betriebsabteilung
- Ziel, Kug zu erlangen
Die BA erhebt weitere Voraussetzungen, die jedoch der materiellrechtlichen Wirksamkeit nicht entgegenstehen. Die Konkretisierung dieser Angaben erfolgt im weiteren Verwaltungsverfahren. Versagt der Anzeigende Angaben, die zur Überprüfung des Anspruchs notwendig sind, verletzt er Mitwirkungspflichten und Kug wird versagt.
Dennoch sollten zur schnelleren Abwicklung der Anzeige weitere Angaben ergänzt werden, nämlich: Firmenbezeichnung, Art des Betriebes, Anschrift, Bezeichnung und Sitz des Betriebsteils, in dem verkürzt gearbeitet und Kug beantragt werden soll, Beginn des Arbeitsausfalls, die betriebsübliche und die verkürzte Arbeitszeit, Zahl der im Betrieb tatsächlich beschäftigten AN, Zahl der vom Arbeitsausfall betroffenen AN, Gründe des Arbeitsausfalls. Zudem sollte der Ausfallzeitraum berechnet werden, daraus erfolgt jedoch keine Bindungswirkung – sie sollte unter 12 Monaten liegen, vgl. (Teil 1, 1., c.).
Die Anforderungen der BA finden sich im entsprechenden Merkblatt wieder, ab S. 31; hierunter auch ein Vordruck für die Anzeige:
https://www.arbeitsagentur.de/datei/merkblatt-8a-kurzarbeitergeld_ba015385.pdf
Kug kann der Einfachheit halber auch online beantragt werden, hierzu:
https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba039765.pdf
Wichtig: Eine ausdrücklich auf den Gesamtbetrieb erstreckte Anzeige kann nach Auffassung des BSG nicht nachträglich in eine Anzeige nur für eine Betriebsabteilung umgedeutet werden.
- Der Anerkennungsbescheid
Wurde eine Anzeige gestellt und geprüft, hat die BA gem. § 99 III unverzüglich einen Anerkennungsbescheid zu erteilen. Der Bescheid beendet das Anerkennungsverfahren und eröffnet das Leistungsverfahren. Er ist ein Verwaltungsakt und erfolgt schriftlich. Vor Erlass des Anerkennungsbescheids müssen gem. § 24 SGB X alle notwendigen Verfahrensbeteiligten angehört werden, also AG und BetrV – fehlt es daran, kann der übergangene den Bescheid anfechten.
- Antrag
Auch den Antrag auf Zahlung des Kug an die individuellen AN stellen AG oder BetrV, sie stellen ihn schriftlich oder elektronisch innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten. Der Antrag richtet sich nach § 323 II SGB III und dient dazu, die persönlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
- Streit über die Gewährung von Kurzarbeitergeld
Bescheide über die Gewährung oder Nichtgewährung von Kug können nur vom AG oder der BetrV angefochten werden. Sie vertreten die Rechte ihrer AN auch im Falle eines Verfahrens in einer Verfahrens-/Prozessstandschaft. Damit tragen sie allein auch das Risiko von Verfahrens- oder Prozesskosten.
TEIL 3 – AKTUELLE ÄNDERUNGEN
- Die Beschäftigtenquote der Relevanzschwelle des Arbeitsausfalls wurde von einem Drittel auf 10 % gesenkt, vgl. (Teil 1, 1., e.).
- Sind Arbeitszeitschwankungen zulässig, mussten bisher gem. § 95 IV 2 Nr. 3 nicht nur Überstunden abgebaut, sondern auch zulässige Minusstunden aufgebaut werden. Letzteres ist nun nicht mehr notwendig.
- Durch die Arbeitsausfälle wegfallende Sozialversicherungsbeiträge werden vollständig erstattet.
- Kurzarbeitergeld kann auch für Leiharbeiter beantragt werden.
Gesetz zur Erleichterung der Kurzarbeit vom 13. März 2020:
Rechtsverordnung des BMAS über Erleichterung der Kurzarbeit vom 23. März 2020: