Lohnumwandlungen vor dem Aus?

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Lohnumwandlungen vor dem Aus?

Grafik Bundessozialgericht Urteil vs. Deutschen RV

Zwischenzeitlich liegt die schriftliche Urteilsausfertigung des  auch in der Presse viel besprochenen 12. Senats des BSG  (B 12 R 21/18 R) vor. Erst jetzt kann daher eine Aussage über tatsächliche Auswirkungen der Entscheidung für Lohnoptimierungen bzw. Lohnumwandlungen getroffen werden.  Diese Umwandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass Mitarbeiter nach einem entsprechenden Teil-Barlohnverzicht andere Leistungen erhalten, die abgabenrechtlich begünstigt sind. Dabei tritt diese Begünstigung sowohl steuer- als auch sozialversicherungsrechtlich ein, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Eine der immer wieder heftig umstrittenen Voraussetzungen für die Abgabenfreiheit ist das Merkmal der Zusätzlichkeit. Danach sind bestimmte Leistungen nur abgabenbefreit, wenn diese zusätzlich zum geschuldeten Lohn gewährt werden.

Nachdem der Gesetzgeber das steuerrechtliche Merkmal der Zusätzlichkeit mit dem neuen Absatz 4 des § 8 EStG definiert hat, folgt nun das BSG mit seiner  Entscheidung für die Sozialversicherung. Durch diese beiden Akte, Gesetzesänderung und Urteil, wird die Lohnumwandlung im großen Stil uninteressant und für die Unternehmen, die sie bereits einsetzen auch riskant. Inwieweit einzelne Lohnumwandlungsmodelle (z.B. Leasingfahrradmodelle) noch die gewünschte Abgabenfreiheit auslösen, werde ich an dieser Stelle zu einem späteren Zeitpunkt klären.

Warum das Urteil für Umwandlungen wichtig ist, will ich nun klären.

 

  1. Das Urteil 
  2. Der Sachverhalt

Im Streitfall hatten die Arbeitsvertragsparteien eine klassische Optimierung durchgeführt. Mitarbeiter verzichteten auf den Barlohn und erhielten im Gegenzug begünstigte Leistungen. Hierunter fielen auch der Sachbezug gem. § 8 Abs. 2 S. 11 EstG in Form von Tankgutscheinen und die sogenannte Miete für Werbeflächen auf den privaten PKW der Arbeitnehmer. Die Vorinstanzen (SG München und Bayr. LSG) hatten diese beiden Leistungen sozialversicherungsfrei belassen. Das BSG hob mit seinem Urteil diese Entscheidungen auf und unterwarf die Leistungen der Sozialversicherungspflicht.

 

  1. Begründung

Der 12. Senat setzt sich in den Entscheidungsgründen zunächst mit der Rechtsnatur der Mietverträge für Werbeflächen auseinander, was für die Anwender in Zukunft eher uninteressant ist, da dieses Modul bei Optimierungen nicht mehr zum Einsatz kommt, dann jedoch wird es interessant, weil sich der Senat mit den Voraussetzungen der Zusätzlichkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne auseinandersetzt.

Generell unterliegen alle Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 14 SGB IV der Sozialversicherungspflicht. Gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV wird

(1) 1Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung oder zur Vereinfachung des Beitragseinzugs zu bestimmen,

1. dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten,

 

Auf dieser Grundlage entstand die Sozialversicherungsentgeltverordnung, zu deren Zusätzlichkeitsbegriff das BSG jetzt (wieder) Stellung genommen hat.

Der 12. Senat kommt dabei zu der Auffassung, dass immer dann, wenn einheitliche Vereinbarungen aus Verzicht und Leistungsgewährung vorliegen,  die Zusätzlichkeit ausgeschlossen ist. Wörtlich führt er aus:

„Zusätzlich zu Löhnen und Gehältern werden jedenfalls nicht Einnahmen gewährt, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung Bestandteil des Vergütungsanspruchs sind. Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte waren jedoch integrale Bausteine in der mit der Vertragsergänzung herbeigeführten neuen Zusammensetzung des Entgelts. In der neu gestalteten Vergütungsstruktur wurden diese Arbeitgeberleistungen nicht zusätzlich zu der zuvor vereinbarten Entlohnung gewährt. Sie stellten vielmehr –wie bereits ausgeführt wurde – teilweise Surrogate für den Bruttolohnverzicht und damit nicht abtrennbare, integrale Bestandteile der insgesamt vereinbarten neuen Vergütung dar. Vor–und Nachteilseinräumung durch Entgeltverzicht auf der einen und ergänztes Leistungsspektrum auf der anderen Seite sind konnex und bilden eine einheitliche Vereinbarung, die insgesamt im Rahmen des gegenseitigen Austausches zustande gekommen und nicht trennbar ist. Mithin ist aus objektiver Sicht der Vertragsparteien ( §§ 133, 157 BGB) die neue Vergütung nur dann vollständig erfasst, wenn sämtliche Gehaltsanteile zusammengenommen betrachtet werden.“

 

Also immer dann, wenn Leistungen im Gesamtzusammenhang mit einem Verzicht gewährt werden, so sind sie in diesem Gesamtkonnex zu sehen. Sie stellen nach Auffassung des 12. Senats Surrogate für den Entgeltverzicht dar und sind daher als einheitliche Vereinbarung anzusehen, was eine Zusätzlichkeit ausschließt.

 

Hatte der gleiche Senat früher die Zusätzlichkeit (BSG 12 R 5/09) noch bejaht, so kommt er nun zu einem anderen Ergebnis.

 

Dieser damaligen Entscheidung lag eine Entgeltumwandlung von Barlohn in einen Sachbezug (Fahrzeug) vor. Damals führte nach Auffassung, diese neue Vereinbarung, die auch in einem direkten Zusammenhang stand, zu einer Begründung der Zusätzlichkeit und damit zur Sozialversicherungsfreiheit der Leistungen. Damals führte der Senat aus:

„Arbeitsentgelte  sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder dem Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Auch die Gewährung eines Sachbezuges anstelle des Barlohnes ist dann im Sozialversicherungsrecht zu beachten, wenn wirksam vereinbart wurde, dass auf den Barlohnanspruch verzichtet und stattdessen ein Sachlohn  gewährt wird.  Die Entgeltumwandlung unterscheidet sich von einer bloßen Abrede über die Verwendung des laufenden Lohns dadurch, dass die Leistungspflicht des Arbeitgebers für die Zukunft arbeitsvertraglich geändert wird. Die bisherige Schuld des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt zu zahlen, wird zukunftsgerichtet erneuert (noviert) und durch die nunmehr vereinbarten Entgeltmodalitäten ersetzt. Wird für           die Zukunft wirksam eine Vereinbarung über eine Umwandlung eines zunächst vereinbarten Sachlohns in einen Sachbezug getroffen, ist für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge als Entgelt nur noch der verbliebene reduzierte Barlohn zugrunde zu legen……“

 

Insoweit stellt das jetzige Urteil eine Änderung der Rechtsprechung dar, auch wenn in der hier zu besprechenden Entscheidung der Senat den Eindruck erweckt, dass er sich konsequent in seiner Rechtsprechung verhielte, da er sich in der Vorzeit nur mit dieser Frage im Rahmen der Umwandlung von Entgelt in Betriebliche Altersversorgung beschäftigt habe. Das zuvor zitierte Urteil belegt jedoch das Gegenteil.

 

  • Konsequenzen

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für alle Anwender von Lohnumwandlungsmodellen. Mit dieser Entscheidung ist klar, dass eine solche Umwandlung nicht mehr zu einer Sozialversicherungsfreiheit der steuerfreien Leistungen führt. Lediglich die pauschal besteuerten Leistungen bleiben sozialversicherungsfrei. Bei diesen ist jedoch zu bedenken, dass sie steuerrechtlich zusätzlich gewährt werden müssen und der Gesetzgeber über den neuen § 8 Abs. 4 EstG Umwandlungsmodelle ausgeschlossen hat.

Ob in der Vergangenheit liegende Umwandlungen bis zur Entscheidung vom 23. 2. 2021 akzeptiert werden hängt entscheidend von der Frage ab, wie die Rechtsprechung selbst die Entscheidung interpretiert. Kommt sie zu dem (m.E. richtigen) Ergebnis, dass das Urteil eine Änderung der Rechtsprechung ist, so stritte der Vertrauensschutz für den Anwender.  Dies ist in einem gesonderten Beitrag zu klären.