Änderung der BFH-Rechtsprechung zum Zusätzlichkeitsmerkmal

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Änderung der BFH-Rechtsprechung zum Zusätzlichkeitsmerkmal

Mit drei Urteilen vom 1. August 2019, die am 25. Oktober veröffentlicht wurden, hat der 6. Senat seine Rechtsprechung zum Zusätzlichkeitsmerkmal geändert.

Sachverhalt

Viele Arbeitgeber vereinbarten mit ihren Arbeitnehmern in der Vergangenheit eine Änderung der Entlohnung. Die Arbeitnehmer verzichteten in einem ersten Teilakt auf einen Teil ihres Arbeitslohns, im zweiten Teilakt wurden ihnen dann Leistungen gewährt, die steuerlich gesondert bewertet werden. Dabei gab es auch Leistungen, die nur dann die steuerliche Begünstigung (und damit die Sozialversicherungsfreiheit) nach sich zogen, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wurden. Die Frage, wann die Voraussetzungen vorliegen, ist immer wieder strittig gewesen und wurden durch zwei Urteile des BFH vom 19.9. 2012 (VI R 54/11 und VI R 55/11) letztlich erstmals entschieden. Danach war der ohnehin geschuldete Lohn, derjenige, auf den der Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch hat. Diese Entscheidungen des 6. Senats führten dazu, dass in den eingangs beschriebenen Sachverhalten die Zusätzlichkeit verneint wurde und die Leistungen nicht abgabenrechtlich begünstigt gewährt werden konnten.

Entscheidungen

Diese Rechtsprechung hat der 6. Senat des BFH nunmehr in drei Urteilen vom 1. August 2019 (VI R 21/17, VI R 32/17 und VI R 40/17) geändert. Die wesentliche Tenorierung:

  1. Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn i.S. der entsprechenden Vorschriften –wie beispielsweise § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG oder § 3 Nr. 33 EStG– ist derjenige Lohn, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt.
  2. Zusätzlicher Arbeitslohn liegt vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat (Änderung der Rechtsprechung).

Die Ausgangsbasis für den 6. Senat ist also die Frage, ob der Lohn mit einer Verwendungspflicht gewährt wird. Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet ist, dass der Arbeitnehmer darüber frei und ohne bestimmte Verwendungsbedingungen (Kindergartenbeiträge, Fahrtkosten, Internetkosten etc.) verfügen kann. Der zusätzliche Lohn wird mit der Bedingung gewährt, dass er zu einem bestimmten Zweck verwandt werden muss (Zweckbindung).

Ohne auf die Begründung vertieft einzugehen, soll hier doch festgehalten werden, dass der 6. Senat eindeutig feststellt:

Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel ist deshalb nicht begünstigungsschädlich. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den „ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen. Diese treten nunmehr zum Zahlungszeitpunkt zum ohnehin –nur noch in geminderter Höhe– geschuldeten Lohn hinzu und werden somit „zusätzlich“ zu diesem erbracht.

Das Gericht führt dann aus, dass lediglich reine Gehaltsumwandlungen bzw. Umwidmungen schädlich seien. Wenn es also nicht zu einer vertraglichen Vereinbarung mit einem Verzicht auf zweckfrei geleisteten Lohn kommt, ist die Zusätzlichkeit nicht gegeben, dann scheiden die Steuerbegünstigungen aus. Der 6. Senat orientiert sich bei seiner Entscheidung also (auch explizit!) an den Entscheidungen des 12. Senats des BSG.

Folgen

Eine Nettoentgeltoptimierung, die diese Voraussetzungen beachtet, führt also zu einer beabsichtigten abgabenrechtlichen Begünstigung der Leistungen.

Unternehmen, die mit diesem Modell arbeiten, sollten also auch für die Vergangenheit darauf achten, dass die Prüfung, entsprechend der neuen Rechtsprechung verfährt. Anderenfalls ist der Rechtsweg zu beschreiten.