Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung wird bis 31. Dezember ausgesetzt. Was bedeutet das für Geschäftsführer?
Die Koalitionsparteien haben beschlossen, die Insolvenzantragpflicht teilweise weiter auszusetzen. Dies gilt zumindest für den Insolvenzgrund der Überschuldung. Bei Zahlungsunfähigkeit soll nach dem 30. September wieder binnen einer Frist von 3 Wochen die Pflicht zur Antragstellung bestehen.
Praktisch wird diese Verlängerung kaum Auswirkungen haben, da die Überschuldung der Zahlungsunfähigkeit meistens vorausgeht. Es bedeutet aber, dass die Unternehmen, die auf der Grundlage der letzten Zahlen überschuldet waren, noch nicht verpflichtet sind, Insolvenz anzumelden. Bei Zahlungsunfähigkeit wird ab dem 1. Oktober wieder die normale gesetzliche Verpflichtung eintreten, nämlich binnen 3 Wochen ab Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit, Insolvenz anzumelden. Diese Verpflichtung trifft die Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften sowie Einzelunternehmer.
Nachfolgend gehe ich nochmals kurz auf die beiden Insolvenztatbestände Überschuldung ein, um dann einen kurzen Abriss über die zivil- und strafrechtlichen Folgen zu geben.
Überschuldung
Nun ist es so, dass in der Realität meistens die Zahlungsunfähigkeit eine Folge der Überschuldung ist. Deren gesetzliche Definition findet sich in § 19 Abs. 2 InsO. Danach liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners (also der GmbH) die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Dies bedeutet aber für den Geschäftsführer, dass es selber gezwungen ist, die bilanzielle Situation des Unternehmens zu überwachen.
Zeigt sich in den Bilanzen, dass das Stammkapital aufgebraucht oder gar negativ ist, sollte der Berater dringend aufgefordert werden, einen speziellen Überschuldungsstatus zu erstellen. In einem solchen Status werden andere Bewertungsrichtlinien als in einer Bilanz zugrunde gelegt. Den Aktiva werden dabei Rückstellungen und Verbindlichkeiten gegenüber gestellt. Dabei wird von den wahren Werten und nicht den Buchwerten auf der Basis einer Liquidation ausgegangen. Liegt hiernach eine Überschuldung vor, ist eine Fortführungsprognose anzustellen. Ist diese positiv, ist der Status unter Fortführungsgesichtspunkten (going concern) zu erstellen. Nur wenn dann immer noch eine Überschuldung der GmbH vorliegt, ist eine rechtliche Überschuldung gegeben. Es ist unmittelbar Insolvenzantrag zu stellen.
Durch die Verlängerung der Aussetzung der Antragspflicht bis zum 31. 12 dieses Jahres, kann dieser Punkt zur Zeit vernachlässigt werden. Hier kann die Geschäftsleitung neben eigenen Versuchen der Sanierung, die bilanzielle Auswirkungen hat, die weiteren Schritte des Gesetzgebers abwarten. Nicht gilt das jedoch für den zweiten Insolvenzgrund, nämlich die Zahlungsunfähigkeit.
Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsunfähigkeit ist für den Geschäftsführer einfach ermittelbar.
Zahlungsunfähigkeit ist nach gesetzlicher Definition des § 17 Abs. 2 InsO dann gegeben, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Sie liegt in der Regel vor, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies hört sich einfach an, allerdings liegt die Zahlungsunfähigkeit auch dann schon vor, wenn Forderungen schleppend und nur teilweise gezahlt werden. Die nachfolgende Liste enthält wesentliche Indizien für die Zahlungsunfähigkeit:
- Unregelmäßige Zahlung oder Nichtzahlung von Arbeitsentgelt
- Unregelmäßige oder keine Zahlung der Lohnnebenkosten
- Nichtzahlung öffentlicher Abgaben und Steuern
- Nichtbedienung von Verbindlichkeiten aus Miet- und Leasingverträgen
- Nichtzahlung von Telefon und Energiekosten
- Häufig auftretende Zahlungsklagen
- Ständiger Besuch des Gerichtsvollziehers
- Außergerichtliche Vergleichsversuche
Die Notprogramme des Staates im Zeichen von Corona haben zumindest auf die ersten 5 der vorbenannten Verbindlichkeiten Einfluss. Punkt 1 wurde durch die Möglichkeit der Kurzarbeit abgefedert während die Punkte 2 bis 4 die Zahlungserleichterungen des Art. 240 EGBGB § 5 eingriffen.
Näheres in meinem Beitrag dazu. Sämtliche dort aufgelisteten Zahlungserleichterungen gelten nämlich auch für kleine Unternehmen, wie sich aus Art. 240 EGBGB, § 1 Abs. 2 ergibt. Danach können Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,
- das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder
- dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.
Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.
Gleichzeitig sieht § 2 des Art. 240 vor, dass ebenfalls eine Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen wegen in der Zeit zwischen dem 1. April und 30. Juni 2020 entstandenen Mietrückstände erstmalig ab 1. Juli 2022 aussprechen. Die Bundesregierung hat von ihrerm Recht zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Verlängerung der Zahlungsmoratorien keinen Gebrauch gemacht.
Hinzu kommen die gewährten Stundungen der Finanzämter, so dass im Prinzip die Zahlungsunfähigkeit erst nach dem 1. 10. Eintreten kann. Jedem Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG ist deshalb dringend anzuraten, dies genau im Blick zu haben, um eine spätere Durchgriffshaftung gegen sich persönlich zu vermeiden, die unten beschrieben wird. Bei Einzelunternehmern stellt sich diese Frage nicht, da sie soieso mit ihrem Privatvermögen haften.
Zivilrechtliche Folgen
Neben der strafrechtlichen Konsequenz trifft den Geschäftsführer auch die zivilrechtliche Haftung. § 15 a InsO ist ein sogenanntes Schutzgesetz zugunsten von Vertragspartnern und Gläubigern der Gesellschaft. Stellen Geschäftsführer daher entgegen der ihnen obliegenden Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig Insolvenzantrag , so haften sie den Gläubigern persönlich für den dadurch entstehenden Schaden. Bei Altgläubigern, also denen, deren Forderungen gegen die Gesellschaft bereits vor dem Eintritt des Insolvenzgrundes bestanden, ist das der sogenannte Quotenschaden. Dies ist der Schaden, der in einer Schmälerung der Insolvenzmasse besteht, wodurch die auf diesen Gläubiger entfallende Quote sinkt. Bei Neugläubigern ist es dagegen das negative Interesse.
Strafrechtliche Folgen
Das sogenannte Insolvenzstrafrecht selbst findet sich im Wesentlichen in den §§ 283 – 283 d StGB, wobei der am häufigsten verwirkte Straftatbestand an sich die in § 15 a Abs. 4 InsO geregelte Insolvenzverschleppung ist. Absatz 4 bestimmt, dass derjenige bestraft wird, der entgegen Abs. 1 keinen Insolvenzantrag stellt. In Absatz 1 ist geregelt, dass das Mitglied eines juristischen Vertretungsorgans (also auch der Geschäftsführer) drei Wochen nach Eintritt einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag zu stellen hat. Wenn also ein Geschäftsführer erfährt, dass seine Gesellschaft zahlungsunfähig ist, hat er nur 3 Wochen Zeit, einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen. Für den Insolvenzgrund der Überschuldung bleibt diese Antragspflicht ausgesetzt.
Was tun?
Dringender Handlungsbedarf besteht insbesondere für Geschäftsführer von GmbH bzw. haftungsbeschränkten UG sowie Vorständen von AG. Prüfen Sie die Liquiditätslage Ihres Unternehmens. Erstellen Sie mit Ihrem Steuerberater eine Liquiditätsplanung und ziehen Sie im Zweifel schnell die Handbremse bevor Sie in etwaige Haftungsrisiken laufen. Für Geschäftsführende Gesellschafter von kleinen Kapitalgesellschaften sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie nur aufgrund einer genauen Prognose und Planung weitere private Mittel in die Gesellschaft geben sollten. Oft sind Neugründungen mit einer anschließenden Übertragung von Assets der bessere und zukunftsträchtigere Weg. Auch an eine Insolvenz in Eigenverwaltung ist eventuell zu denken.